Warum Knorpelmöhren keine Möhren sind. Doldenblütler in der Schweiz – 23.-24. September 2022

Die letzten beiden Tage waren wir zu Gast in der Stiftung Staudengärtnerei Höfli in Nussbaumen und haben uns mit der Bestimmung von Doldengewächsen beschäftigt. Da dort Hunderte von Wildstauden angebaut werden, hatten wir reichlich Auswahl – und auch für uns recht exotische Exemplare dabei.

So haben wir die in der Floristik geschätzte Knorpelmöhre (auch Bischofskraut genannt, Ammi visnaga) bewundern können. Sie stammt aus dem Mittelmeergebiet und gehört zu einer ganz anderen Gattung (Ammi) als die bei uns häufige Wilde Möhre (Gattung Daucus). Doch selbst die Wilde Möhre kann recht unterschiedlich aussehen, und auch die dunkle Möhrenblüte in der Mitte kann fehlen. An der gefiederten Hülle („Spitzendeckchen“) in Kombination mit den borstigen Früchten ist die Wilde Möhre immer sicher zu erkennen. Am Beispiel des Wiesen-Bärenklaus haben wir den Blütenaufbau untersucht, der bei allen Arten in dieser Familie sehr einheitlich ist.

Auf dem „wilden Gelände“ neben der Staudengärtnerei haben wir an fein gefiederten Doldengewächsen die Fiederungen angeschaut. Dort gab es auch viel Wiesen-Kümmel (Carum carvi), so dass wir das typische „Kümmelkreuz“ an den Blättern sehen konnten. Es ist auch ein gutes Merkmal um Rosskümmel (auch Wiesensilge genannt, Silaum silaus) ohne dieses Kreuz von Berg-Heilwurz (auch Hirschheil genannt, Seseli libanotis) zu unterscheiden. Letztere ist eine alte Medizinalpflanze, die wegen ihrer verdauungsfördernden und antibakteriellen Eigenschaften ähnlich wie Fenchel und Kümmel eingesetzt wurde. Sie kann roh und gegart für Gemüse und als Gewürz verwendet und auch in Öl eingelegt werden. Ein weitere Besonderheit war die Kümmel-Silge (Selinum carvifolia), die uns Elisabeth mitgebracht hat. Es ist eine beliebte Wildstaude, die für die Insekten durch die lange Blütezeit wertvoll ist und selbst in der Laubfärbung hübsch aussieht.

Große Bewunderung fanden auch die hübschen Raupen des Schwalbenschwanzes, die wir in den Pflanztöpfen entdeckt haben.

Insgesamt haben wir diese Doldengewächse bestimmt bzw. als Samen oder Blätter mit Lupe und Stereomikroskop betrachtet:

Knorpelmöhre (Ammi visnaga)

Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris)

Große Sterndolde (Astrantia major)

Aufrechter Merk (Berlula erecta)

Wiesen-Kümmel (Carum carvi)

Wilde Möhre (Daucus carota)

Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)

Pastinak (Pastinaka sativa)

Kleine Bibernelle (Pimpinella saxifraga)

Großblütige Breitsame (Orlaya grandiflora)

Kümmel-Silge (Selinum carvifolia)

Himalaja-Silge (Selinum wallichianum)

Berg-Heilwurz (Seseli libanotis)

Rosskümmel (Silaum silaus)

Anhand des Bildmaterials haben wir angeschaut, anhand welcher Merkmale sie von giftigen Arten wie Hundspetersilie (Aethusa cynapium), Wasser- (Cicuta virosa) und Gefleckten Schierling (Conium maculatum) zu unterscheiden sind. Die rote Farbe, die oft bei diesen Arten zu sehen ist, ist gar nicht so ein wichtiges Merkmal wie oft angenommen – die Farbstoffe (Anthocyane) dienen vor allem als Sonnenschutzpigmente und kommen standortabhängig sehr unterschiedlich vor. Sie sind auch bei Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), Kälberkropf-Arten (Gattung Chaerophyllum) und weiteren Doldengewächsen häufig zu beobachten.

Am Freitag konnten wir die Pflanzen bei Sonnenschein genießen, am Samstag haben wir bei Regen noch einen kleinen Gang durch die Anlage gemacht – beeindruckend, wie viele Schritte es bedarf, bis aus den Samen die verkaufbaren Pflanzen herangewachsen sind!

Doch nicht nur die Doldengewächse dort haben es uns angetan. Bereits die Landschaft mit dem Fernblick ist ein Erlebnis. Doch besonders berührend ist die Atmosphäre auf dem Gelände, der harmonische Umgang der dort lebenden und arbeitenden Menschen, das Miteinander von Natur und Tiere dort. So bietet der Kompost vielen Lebewesen gleichzeitig einen Lebensraum, ebenso wie der Schaugarten mit den vielen Wildstauden und Nischen zwischen Steinen und Holz für zahlreiche Eidechsen, Wildbienen und so allerlei Getier mehr. Auch das Essen war ein Genuss für alle Sinne: frische regionale Zutaten köstlich zubereitet und liebevoll garniert und serviert. Einfach paradiesisch – und gar nicht auszudenken, wenn wir Menschen in Zukunft noch viel mehr solcher Keimzellen für gesundes und nachhaltiges Miteinander entwickeln. Vielen Dank euch allen, die ihr dort so viel auf die Beine stellt – und ganz besonders herzlicher Dank an Veronika Kraus für die super Organisation!

Vom 2.-3. Oktober findet in der Stiftung Staudengärtnerei Höfli noch einmal ein Bestimmungskurs statt und es sind noch ein paar Plätze frei. Vielleicht hat ja jemand von euch kurzentschlossen Lust daran teilzunehmen. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir diesen tollen Ort, in einer Woche noch einmal aufsuchen dürfen.

Rita & Frank
Rita & Frank

Hallo, mein Name ist Rita,

seit meiner Kindheit bin ich gerne in der Natur unterwegs und mache dort unzählige kleine und große Entdeckungen. Die Faszination dieser unerschöpflichen Quelle von bunten Formen, spannenden Beobachtungen und leckeren Pflanzen und Pilzen treibt mich auch heute noch an. Das Biologie-Studium und meine anschließende Promotion mit Schwerpunkt Botanik hat mir einiges an Fachwissen gebracht, doch mich auch nahezu das Staunen und die Ehrfurcht und Demut vor der Schöpfung vergessen lassen – all dies und noch viel mehr habe ich wieder gefunden. Bei verschiedenen Bildungseinrichtungen biete ich Seminare zu Pflanzen und Pilzen an – inzwischen meist zusammen mit meinem Mann Frank. Außerdem male und fotografiere ich gerne was mich selber begeistert und baue dies in unsere Lehrmaterialien und Bücher ein, die ich zusammen mit Frank verfasse und gestalte.

Hallo, mein Name ist Frank,

Vögel haben mich bereits sehr jung fasziniert und seit meiner Jugend begeistere ich mich für Outdoor- und Survival-Aktivitäten, sei es mit dem Kanu in Kanada oder auf verschiedenen Wegen in Skandinavien. Als Zahntechniker ist dies auch ein guter Ausgleich zu meiner ansonsten eher „indoor“ stattfindenden Arbeit. Seit den nun fast 30 Jahren, die Rita und ich gemeinsam in der Natur unterwegs sind, habe ich einiges an Pflanzen- und Pilzkenntnissen hinzu gewonnen. Mein Part in unseren gemeinsamen Seminaren ist es, aufzupassen, dass es nicht zu „akademisch“ wird – und immer wieder allgemeine Fragen zu stellen und „die Bodenhaftung“ zu behalten. So ist aus unseren gemeinsamen Entdeckungen zum Beispiel die Ausbildung zum PilzCoach entstanden.

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