Weißfäule – mit Pilzen von der Vergangenheit in die Zukunft – 9. September 2024

Zugegeben, appetitlich und spannend klingt das nicht: Weiß- und Braunfäule. Doch weit gefehlt, hier möchten wir euch etwas über ihr Wirken erzählen, das unseren gesamten Planeten verändern und zu einem lebenswerteren Ort machen kann. Ihr könnt euch das auch bei YouTube anschauen. Darüber hinaus bekommt ihr noch eine kleine kreative Spielerei vorgestellt, die super einfach geht und Kinder – vielleicht – genauso lieben wie ich. 

Doch beginnen wir ganz von vorne: Pilze gab es bereits bevor die Pflanzen aus dem Urmeer ihre Erfolgsgeschichte an Land begonnen haben. Sie leben seitdem in Symbiose miteinander und 95 % aller Pflanzen sind im Boden mit Pilzen verbunden. Mykorrhiza heißt diese Gemeinschaft und sie wird auch in Analogie zum „WordWideWeb“ „WoodWideWeb“ genannt. 

Doch alles, was die Pflanzen aufbauen muss wieder in den Kreislauf einfließen, das heißt alles Laubwerk und alles Holz wird durch Pilze am Ende wieder zu Humus. Ohne sie würde der Wald praktisch „an sich selbst ersticken“. Mal wird das Holz beim Abbau durch die Pilze weiß und leicht und mal ist es hart und braun. So gibt es viele verschiedene Arten von Pilzen, die Weißfäule erzeugen, d.h. Lignin und Cellulose abbauen können, wie den Zunderschwamm. Es gibt auch viele, die nur Cellulose und kein Lignin abbauen, das sind die Braunfäule-Erreger wie der Birkenporling. Lignin, der „Holzbaustein“, ist ein komplexer Stoff den nur Pilze abbauen können. Tiere wie Termiten und Käfer, die im oder vom Holz leben haben Pilze im Darm um Holz verwerten zu können.

Umweltsanierung durch Pilze

Weißfäule-Erreger haben unglaubliches Potential unsere Umwelt zu sanieren. Mykoremediation nennt man den Abbau von Radionukliden und Siedlungsabfällen wie Teer, Öl, DDT und anderen Pestiziden durch Pilze im Boden. In Tschernobyl hat man strahlentolerante Pilze entdeckt, die die Strahlung als Energiequelle nutzen und in Richtung radioaktiver Teilchen wachsen. Noch dazu ist der Einsatz von Pilzen effizienter und preisgünstiger als herkömmliche Verfahren und findet ganz ohne Chemikalien statt. Mykofiltration heißt es, wenn Rückstände von Medikamenten, Hormonen und Antibiotika aus verunreinigtem Wasser entfernt werden. 

Mykofabrikation 

Pilzmyzel statt Styropor, Beton, Plastik und PU-Schaum. Hier sind es wieder Weißfäule-Erreger, die organische Reste in Textilien, Verpackungs- und Isolationsmaterialien sowie Lederersatz für unzählige Anwendungsbereiche verwandeln. Seit Ecovative damit begonnen hat aus Sägemehl, Fruchtschalen und Stiele von Baumwolle, Spreu von Getreide und Reste aller Art von Reis, Hanf etc. Produkte herzustellen, ist ein ganz neuer, nachhaltiger Wirtschaftszweig entstanden, der noch viel Potenzial hat. Immerhin können Pilze zur Erfüllung von 10 der 17 Nachhaltigkeitsziele für unsere Zukunft beitragen.

Weißfäule-Bällchen

Nun darf gespielt werden: das durch Pilze weich gewordene Holz lässt sich – am besten feucht – ganz leicht mit der Hand in Kugeln pressen. Getrocknet sind diese Murmeln fast so hart wie Holz und zum Spielen gut geeignet – sie können auch in andere Formen oder zu Perlen für Ketten geformt werden.

Dieses Poster mit den vielfältigen ökologischen Funktionen der Pilze bekommt ihr bei uns im Shop. Wir wünschen euch viel Spaß beim Nachmachen und wenn ihr noch über unser Buch „Pilze zum Genießen“ hinaus weitere Literatur zu Pilzen sucht, dann empfehlen wir euch Das geheimnisvolle Leben der Pilze: Die faszinierenden Wunder einer verborgenen Welt von Robert Hofrichter. Er bezeichnet die Pilze als ‚die wahren Herrscher der Welt‘ und zeigt auf, dass sie überall sind, vom Tiefseeboden, über erstarrte Lava, auf der Raumstation ISS und in uns – und dass ein Leben ohne sie undenkbar ist. Jan I. I. Lelley zeigt in seinem Buch No fungi no future: Wie Pilze die Welt retten können‚ ebenfalls viele hofnungsvolle Ansätze in dieser Richtung auf. In dem  Buch von Merlin Sheldrake ‚Verwobenes Leben‘ sowie dem Buch von  Paul Stamets ‚Fantastische Pilze‘ gibt es viele weitere Literaturangaben und Infos zu diesen zukunftträchtigen Themen.

Rita & Frank
Rita & Frank

Hallo, mein Name ist Rita,

seit meiner Kindheit bin ich gerne in der Natur unterwegs und mache dort unzählige kleine und große Entdeckungen. Die Faszination dieser unerschöpflichen Quelle von bunten Formen, spannenden Beobachtungen und leckeren Pflanzen und Pilzen treibt mich auch heute noch an. Das Biologie-Studium und meine anschließende Promotion mit Schwerpunkt Botanik hat mir einiges an Fachwissen gebracht, doch mich auch nahezu das Staunen und die Ehrfurcht und Demut vor der Schöpfung vergessen lassen – all dies und noch viel mehr habe ich wieder gefunden. Bei verschiedenen Bildungseinrichtungen biete ich Seminare zu Pflanzen und Pilzen an – inzwischen meist zusammen mit meinem Mann Frank. Außerdem male und fotografiere ich gerne was mich selber begeistert und baue dies in unsere Lehrmaterialien und Bücher ein, die ich zusammen mit Frank verfasse und gestalte.

Hallo, mein Name ist Frank,

Vögel haben mich bereits sehr jung fasziniert und seit meiner Jugend begeistere ich mich für Outdoor- und Survival-Aktivitäten, sei es mit dem Kanu in Kanada oder auf verschiedenen Wegen in Skandinavien. Als Zahntechniker ist dies auch ein guter Ausgleich zu meiner ansonsten eher „indoor“ stattfindenden Arbeit. Seit den nun fast 30 Jahren, die Rita und ich gemeinsam in der Natur unterwegs sind, habe ich einiges an Pflanzen- und Pilzkenntnissen hinzu gewonnen. Mein Part in unseren gemeinsamen Seminaren ist es, aufzupassen, dass es nicht zu „akademisch“ wird – und immer wieder allgemeine Fragen zu stellen und „die Bodenhaftung“ zu behalten. So ist aus unseren gemeinsamen Entdeckungen zum Beispiel die Ausbildung zum PilzCoach entstanden.

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