Wie sieht es mit dem Pilzwachstum in der Hohen Ward aus? Ist dort mit vielen Pilzarten zu rechnen oder hat die Trockenheit des Sommers auch in NRW ihren Tribut gefordert? Wir sind sehr gespannt nach Münster gefahren um dort zusammen mit 20 Pilzbegeisterten die Gegend dort zu erkunden.
Am Montag haben wir uns im Hotel zur Prinzenbrücke getroffen und einen ersten kleinen Gang ums Haus unternommen. Schon in der Steineinfassung der gepflanzten Eiche haben uns Kahle Kremplinge (Paxillus involutus) gelockt. Es ist eine Pilzart, die in Partnerschaft mit verschiedenen Laub- und Nadelbäumen gedeiht und keine besonderen Ansprüche an den Boden stellt – wie dieser Fund zwischen den Steinen bestätigt. Früher wurde er einfach Krempling oder Speckpilz genannt und in vielen Regionen Deutschlands verzehrt und auch auf dem Markt gehandelt. Da auch nach sachgemäßer Zubereitung Todesfälle aufgetreten sind, gilt er heute nicht mehr als Speisepilz. Bei der als Paxillus-Syndrom bezeichneten Vergiftung handelt es sich vermutlich um Überempfindlichkeitsreaktionen, von denen nicht jeder betroffen sein muss. Der Wirkstoff konnte bislang nicht nachgewiesen werden, aber es scheint eine Sensibilisierung mit allergischer Spät-Reaktion vorzuliegen. Erst nach wieder holten Kremplingsmahlzeiten von Personen, die bis dahin problemlos diese Pilze verzehrt haben, führte das Versagen der inneren Organe schließlich zum Tod. Die Wirkstoffe scheinen auf das Immunsystem zu wirken. Auch wenn im ausreichend erhitzten Pilz kein Gift mehr nachgewiesen werden konnte, sollte diese Art auf jeden Fall gemieden werden, auch wenn es noch viele offene Fragen zu dieser Art der Pilzvergiftung gibt. Auf der kleinen Rasenfläche haben wir immerhin 5 weitere Arten entdeckt, die hier beim Naturgucker eingetragen sind. Ein paar kleine büschelig wachsende Fruchtkörper auf dem Rasen konnten wir leider nicht bestimmen.
Dienstag hatten wir mehr Zeit für unsere Exkursion und es gab viele spannende Arten zu entdecken, die ebenfalls beim Naturgucker kartiert sind. Einer der imposantesten Funde waren die „Paukenschlegel“ der jungen Parasolpilze, die wir gleich zu Beginn am Wegrand entdeckt haben. Dort konnten wir ein gutes Erkennungsmerkmal dieser Art, den verschiebbaren Ring, begutachten – und verköstigen. Eine leckere Delikatesse und eine Besonderheit im Pilzreich, werden doch generell alle Pilze nur ausreichend gegart verspeist! Auch Holzzersetzer (Xylobionten) mit so niedliche Namen wie Mäuseschwanz-Rübling (Baeospora myosura) und Rotmilchender Helmling (Mycena sanguinolenta) wurden bestaunt und fotografiert. Alleine die Vielgestaltigkeit einer einzigen Pilzart ist beindruckend. Wir haben an vielen verschiedenen Hölzern Grünblättrige Schwefelköpfe und Geflecktblättrige Flämmlinge (Gymnopilus penetrans) gefunden. Beides sind Pilzarten, mit deren Fruchtkörpern sich wunderbar färben lässt – für die Pfanne sind sie allerdings viel zu bitter.
Unsere Pilztage standen auch im Zeichen der Vitalpilze. So haben wir in der Hohen Ward Birkenporlinge, Schmetterlings-Trameten (Trametes versicolor) und Schopf-Tintlinge gefunden. Sie haben wie nahezu alles Vitalpilze vor allem eine immunstabilisierende Wirkung. Was sie darüber hinaus noch zu bieten haben und Vorschläge für die Anwendung sind in diesem Skript nachzulesen. Der Birkenporling gehört neben dem Zunderschwamm (Fomes fomentarius) zu den beiden Pilzarten, die bereits Ötzi, die Gletschermumie, mit ins Hochgebirge genommen hat. Ersteren vermutlich wegen seiner Heilwirkung und den Zunderschwamm um Glut zu transportieren und um ein Feuer zu entfachen. Wir haben uns am Nachmittag angeschaut, welche Bereiche des Zunderschwammes für das Auffangen von Funken verwendet wurden und was für kunsthandwerkliche Stücke aus diesem wildlederartigen Material gefertigt werden. Unser Pilzfreund Peter Karasch hat eine traditionelle Handwerkerfamilie in Rumänien besucht, die diese alte Handwerkskunst noch betreiben und über ihn könnt ihr diese Artikel bekommen.
Außerdem fanden wir viele Falsche Pfifferlinge, einen Halskrausen-Erdstern und als Speisepilze immerhin einige Maronen. Unsere Pilzfunde wurden systematisch mit Hilfe dieser Karten sortiert, mit Namen versehen und es ist beeindruckend, wie viele Arten wir gemeinsam entdeckt und zusammengetragen haben. Sie sind hier beim Naturgucker eingetragen. Am Mittwoch haben wir das kleine Eichen-Hainbuchen-Wäldchen gleich gegenüber dem Hotel unter die Lupe genommen. Teilweise im wahrsten Sinne des Wortes, war die Schönheit einiger beeindruckende Funde doch nur mit Lupe zu entdecken, wie die beiden Becherlingsarten, die sich darauf spezialisiert haben, Eicheln zu zersetzen. Die gefundene Pflanzengalle konnten wir mit Hilfe dieser Webseite als Knoppern-Gallwespe (Andricus quercuscalicis) identifizieren.
Hier haben wir als weiteren Vitalpilze den Klapperschwamm (Grifola frondosa) gefunden. Er wird in der Mykotherapie Maitake genannt. Beeindruckend war auch die Ochsenzunge. Wir konnten ihre fleischartige Konsistenz anschauen, doch für eine Zubereitung war sie leider schon zu alt. Doch es gab auch Giftpilze zu bewundern und in jeder Lebenslage kennen zu lernen: Rettich-Helmlinge (Mycena pura) in ihrer „normalen“ und ihrer rosafarbenen Form (Mycena pura f. rosea bzw. Mycena rosea). Dieser Giftpilz ist klein und zierlich und wohl am ehesten mit Lacktrichterlingen oder kleinen Violetten Rötelritterlingen zu verwechseln. Seinen Namen verdankt er dem mehr oder weniger ausgeprägten Geruch nach Rettich. Der Hut typischer Exemplaren ist violett bzw. rosa. Die Pilze sind jedoch sehr variabel und hygrophan, d.h. je nach Feuchtigkeitsgehalt heller (trocken) oder dunkler (feucht) gefärbt. Daher kann auch ein Farbwechsel vom Rand zum Zentrum zu sehen sein. Er enthält Muskarin und ist giftig. Typisch für das Muskarin- Syndrom sind starke Schweißausbrüche. Meist treten sie bereits eine halbe bis zwei Stunden nach der Mahlzeit in Verbindung mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden auf. Außerdem kann es zu Pupillenverengung, Speichelfluss, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Tränenfluss, Hautrötung, Atembeschwerden, verlangsamtem Herzschlag und Blutdruckabfall kommen. Tödliche Vergiftungen sind nicht bekannt. Rettich-Helmlinge sind Zersetzer (Saprobionten) ohne besondere Bodenansprüche. Da es sehr häufige Pilze unseren Laub- und Nadelwälder sind, sollten sie Sammlern von Speisepilzen wie Lacktrichterlingen oder Violetten Rötelritterlingen bekannt sein. Außerdem haben wir weitere Birkenporlinge für einen Tee oder Tinktur gesammelt und Kastanienbraune Stielporlinge (Polyporus badius) für die anstehende Weihnachtsdeko.
Wer sich online weiter mit den Pilzen beschäftigen möchte findet bei der NABU/Naturgucker-Lernplattform unsere Pilzfortbildung. Sicherlich hat auch die super Organisation von Benedikt van Acken des KAB Diözesanverbandes Paderborn e.V. und das leckere Essen im Hotel zur Prinzenbrücke zum Wohlfühlen beigetragen, auch wenn die Räumlichkeiten etwas beengt waren.
Vielen Dank dafür und allen, die mit uns auf Pilzpirsch gegangen sind! Weiterhin viele schöne Pilzfunde und beste Gesundheit – mit oder ohne Vitalpilzen – wünschen Rita und Frank