Dieses Wochenende verbringen wir mit Pilzbegeisterten auf dem Aichbaindthof bei Markus Strauß im Allgäu. Freitag trotzen wir dem grauen Wetter mit leuchtend roten Pilzfarben aus Hautköpfen, die wir mitgebracht haben. Außerdem gibt es Fichten-Reizker und Flockenstielige Hexenröhrlinge zum Probieren. Pilzbutter aus Braunen Zucht-Champignons sind eine gute Alternative, wenn einmal keine Waldpilze gefunden wurden. Hierbei ist ebenso wie bei wilden Pilzen auf die Frische der Fruchtkörper zu achten. Die Tafeln der DGfM liefern hier Merkmale zur Erkennung, wann ein Pilz zu alt zum Verzehr ist. Hier sind auch die Angaben zur Radioaktivität zu finden. Außerdem werden erste Bestimmungsübungen mit dem Rätselpfad und dem Grundkurs Pilzbestimmung ausprobiert. Die Tattoos gibt es hier zum Download. Die auf dem Gelände gefundenen Schopf-Tintlinge lassen wir zu Tinte verfließen.
Neben kreativen und kulinarischen Gesichtspunkten geht es uns auch um die Ökologie der Pilze. Sie sind für gesunde Kreisläufe in der Natur unentbehrlich. 95 % aller Pflanzen leben im „Wood-Wide-Web“ unterirdisch vernetzt. In einem gesunden Boden mit den entsprechenden Pilzen darin wird kostspieliger Dünger und giftige Pestizide überflüssig. Außerdem bieten Pilze viele Lösungen für unsere Zukunft, sei es bei der Bodensanierung oder als Alternativen zu Styropor, Plastik und Beton. Ecovative in Amerika ist eine der ersten, die vor über 10 Jahren mit diesen Alternativen experimentiert haben.
Mit einem frischen Smoothie von Bianca geht es Samstag frisch gestärkt hinaus in den Wald. Markus gibt uns einen geschichtlichen Abriss über die Hintergründe der Region. Wir starten auf etwas über 1000 m am nördlichsten „Pass“, von dem aus wir einen ebenso guten Blick auf die Waldgebiete gen Süden haben wie auf die Wiesen gen Norden. Die Wiesenregion hat durch die im 19. Jh. aus der Schweiz eingeführte Käse- und Milchwirtschaft ihren Wohlstand verbessert. Die Waldgebiete sind durch den Bedarf an Holz für die Glasbläserei vor allem mit Fichten aufgeforstet. Natürlicherweise würden hier auch zahlreiche Laubbäume wie Ulme, Berg-Ahorn, Buche und Linde sowie Weiß-Tannen gedeihen. Durch die ergiebigen Niederschlägen von etwa 1600 l pro Jahr sind die Fichten hier trotz der Monokulturen wesentlich vitaler als wir das aus dem Harz oder Bergischen Land kennen.
Hier gibt es einiges zu entdecken. An vielen Stellen ist der ganze Waldboden übersät mit Nadel-Stinkschwindlingen und Helmlingen. Diese Zersetzer sorgen dafür, dass Nadeln und Holz wieder zu Humus werden. Der Blutmilchende Helmling lässt sich auch als „Waldkugelschreiber“ und Nagellack verwenden. Doch auch Speisepilze wie beispielsweise Violette Rötelrittelinge, Wald-Champignons, Pfifferlinge, Täublinge, Parasolpilze und Stäublinge gibt es zu entdecken. Unsere gesamte Artenliste mit einigen Fotos ist beim NABU/Naturgucker eingetragen. Nach einer köstlichen Champignon-Mahlzeit mit Blütensalat sortieren wir unsere Pilzfunde systematisch, bestimmen zahlreiche Arten, bereiten die Speisepilze zu, machen eine weitere Pilzfärbung mit Zimtfarbenen Weichporlingen und bestaunen die Produkte aus Zunderschwamm. Zum Probieren gibt es Kakao mit „Lions Mane“ (Stachelbart) von Andreas Lackmann und Kombucha, einem Vitalgetränk, dass auch kreativ verwertet werden kann. Als umfangreiches Buch über Vitalpilze empfehlen wir das Buch „Heilende Pilze“ von Jürgen Guthmann. Zur Mykorrhiza empfehlen wir „Die Weisheit der Wälder“, zur Waldwirtschaft „Der Holzweg“ und zu Pilzen allgemein ‚Das geheimnisvolle Leben der Pilze: Die faszinierenden Wunder einer verborgenen Welt‚ No fungi no future: Wie Pilze die Welt retten können‚ sowie das Buch von Merlin Sheldrake ‚Verwobenes Leben‘ und von Paul Stamets ‚Fantastische Pilze‘ – auch der Film „Fantastische Pilze“ hat tolle Aufnahmen und Animationen.
Wiederum mit gesunden Vitaminen gestärkt mit einem Smoothie geht es Sonntag im Sonnenschein zum Eschacher Weiher mit grandiosem Blick auf die Alpen. In diesem Moorgebiet begleiten uns Pilze auf Schritt und Tritt. Den Flachen Lackporling benutzen wir als „Schreibtafel“, die Rotrandigen Baumschwämme lassen sich mit dem Feuerzeug als solche auch erkennen, wenn der typische rote Rand fehlt. Einige Schleierlinge lassen sich nicht bestimmen – doch der Blutrote Hautkopf ist leicht kenntlich und ein toller Färbepilz. Unsere gesamten Funde sind mit weiteren Fotos beim NABU/Naturgucker eingestellt. Einen malerischen Steinpilz genießen wir zum Mittagessen dünn gehobelt auf dem Blütensalat. Dazu gibt es von Bianca köstlich zubereitete Kräuterseitlinge. Das Pilz des Jahres Pils kann probiert werden – es ist bei der kleinen Bio-Familienbrauerei bestellbar. Wer sich weiter mit dem Reich der Pilze beschäftigen möchte können wir das kostenlose Online-Angebot der NABU/Naturgucker-Akademie empfehlen, wo wir für die Pilze viele Lehrfilme und Infos erstellt haben.
Fazit: Es war ein super schönes, kreatives, leckeres und inspirierendes Wochenende und wir danken allen Teilnehmenden von Herzen für die Begeisterung – Bianca ganz besonders für unsere köstliche Verpflegung, Markus als Gastgeber dieser schönen Veranstaltung für die tollen Gebiete und Infos zur Region. Wir sind begeistert und kommen gerne wieder!