Die Medien und der Grüne Knollenblätterpilz – 21. August 2023

Diese Pilzsaison beginnt früh und – zumindest bei uns in Niedersachsen – mit einer Fülle von Grünen Knollenblätterpilzen. Dies macht sich auch in der Anzahl der Vergiftungen bemerkbar – und auch im Interesse der Medien an diesem Thema. 

Spannend ist es zu beobachten,  wie mit dieser Tatsache umgegangen wird und in welchem Tenor die Berichterstattung verläuft. Generell herrscht Pilzen gegenüber eine gewissen Angst und Skepsis. „Lieber gar nicht anfassen“ wird auch Kindern vorsichtshalber oft vermittelt – obwohl Pilze keine Giftstoffe enthalten, die durch die Berührung wirksam werden kann. Unwissen macht Angst und Vorsicht ist besser als eine Vergiftung. Doch was auf der Strecke bleibt ist oft sachliche Information, Neugier und Entdeckerfreude. 

Zweimal hatte ich nun die Gelegenheit mit einem Fernsehteam zum Thema „Giftpilze“ in den Wald zu gehen und zu informieren. Zweimal habe ich mir etwa zwei Stunden Zeit genommen, um die Merkmale des Grünen Knollenblätterpilzes zu zeigen. Grüne Knollenblätterpilze wachsen hier gerade wie im Bilderbuch in allen Altersstadien. Was für eine tolle Gelegenheit die Zuschauer aufzuklären, wie die Merkmale aussehen und was zu beachten ist! Allgemeine Dinge zu erzählen, die beim Sammeln zu beachten sind. Zweimal habe ich meinen Wunsch geäußert, doch auch wenigstens mit einem Satz zu erwähnen, dass in Pilzen doch auch ganz viel Potential steckt für unsere Zukunft. Dass die selben Giftstoffe, die töten homöopathisch auch heilen – genau wie bei stark giftigen Heilpflanzen wie Fingerhut und Maiglöckchen. Zweimal habe ich mir gewünscht, dass alleine durch den einen Satz, dass Pilze nicht kontaktgiftig sind, die Menschen ein wenig ihre Angst und Skepsis gegenüber diesen lange verkannten Lebewesen verlieren. Ich habe erzählt, wie viel Angst es Eltern und beispielsweise Waldkindergärtner*innen nimmt, wenn sie wissen, dass „ihre“ Kinder alle Pilze anfassen dürfen. Auf die Aufklärungsmaterialien der DGfM in deutscher, russischer und ukrainischer Sprache habe ich hingewiesen.

Als das erste Team kam von Sat.1 Landesstudio aus Hannover. Das Ergebnis: die gleiche reißerische Nachricht, wie in den Medien ohnehin präsent. Im Vordergrund die Gefahr der Pilze, die Patientin mit ihren Beschwerden und ganz wichtig bei Dreh „ein Sammler mit Pilzkorb in der Hand geht durch den Wald“. Zeit für ein Aufklärung und Mut machen passt hier nicht ins Bild. Das zweite Team war vom Regionalstudio des ZDF. „Vermutlich schon seriöser“ meine Hoffnung. Diesmal wurde sogar ein Interview mit mir geführt und viele Details gefilmt. Ich hatte die Gelegenheit über die wertvolle Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zu sprechen und wie man Pilzberatungen in seiner Region finden kann. Sogar die Bedeutung der Pilze allgemein und die Ausbildung zum PilzCoach wurden nachgefragt. 

Doch diesmal war das Ergebnis noch frustrierender. Nicht mal Zeit für aufklärenden Sätze, weder dazu, dass Fraßspuren nichts über die Giftigkeit verraten, es wichtig ist den ganzen Fruchtkörper anzuschauen, es keine allgemein gültigen Regeln gibt, um Giftpilze auszuschließen wie anlaufende Zwiebeln oder Löffel. Dass generell beim Sammeln von Pilzen mit weißen Lamellen die größte Gefahr lauert.

Wie enttäuschend war das Ergebnis! Der „aufklärende“ Part war noch geringer, vom Interview ganz zu schweigen. Der O-Ton „Pilze sind unattraktiv und gefährlich“ wie überall in den Medien. Der Berichterstatter, Clemes Altmann, hatte sich nicht einmal die Zeit genommen selbst mit im Wald gewesen zu sein. Verschwörungstheorie oder Zeitmangel, Voreingenommenheit „was der Zuschauer sehen möchte“ und Eitelkeiten auf allen Seiten? Warum bleibt wirkliche Aufklärung, positive Botschaft und eine Vision, wofür die Medien stehen sollten auf der Strecke? Beantworten kann ich diese Frage nicht, doch wie es sich anfühlt, ein „Rädchen“ in dieser Maschinerie zu sein, daran zu glauben, dass diesmal doch ein Bericht mit einem Fünkchen „Faszination Pilz“ entstehen möge – und dann die Enttäuschung, selber ein Teil dieser negativen, angstmachenden Berichterstattung zu sein. Sieht so seriöse Berichterstattung aus, die dem Zuschauer einen neutralen, informierenden und wertfreien Blick ermöglichen möchte?

Letztes Jahr mit Stefan Lang für RTL Nord im Wald eine Pilzpfanne zuzubereiten war dagegen das reinste Vergnügen – auch wenn hier keine visionären Pilzthemen angesprochen werden konnten, wurden die Pilze hier wenigstens von eine schmackhaften Seite gezeigt. Hier können auch noch mal allgemeine Regel für das Sammeln nachgelesen werden.

Heute hatte ich dann Gelegenheit live im Morgenmagazin dabei zu sein – es war ein traumhaft schöner Morgen mit Sonnenaufgang und einem netten Team vor Ort. Und ich finde diesmal haben die Pilze eine bessere Reputation bekommen. Doch schaut selbst – und bis zum Ende durchhalten, das Beste kommt zum Schluss 🙂

Falsche Bilder sind übrigens auch häufig zu finden, ein paar Beispiele sind hier zu sehen:

In dieser Bildergalerie wird bei t-online ein Grauer Wulstling als Grüner Knollenblätterpilze bezeichnet und hier ein Gifthäubling als Stockschwämmchen. Solche Fehler passieren auch bei „ungefährlichen Arten“ wie Drüslingen mit Judasohren, was ebenfalls irreführend ist, aber immerhin nicht so eine Tragweite haben kann wie tödlich giftige mit essbaren Pilzen zu verwechseln. Auch der magen-darm-giftige Gelbe Knollenblätterpilz, der bei n-tv für einen tödlich giftigen Grünen Knollenblätterpilz gezeigt wird fällt in diese Kategorie.

Mein Fazit: Wenn wir es zulassen, haben „die Medien“ eine ganz schöne Macht über die Art und Weise uns bestimmte Themen zu präsentieren. Ich werde mich bei den folgenden Anfragen auf jeden Fall noch viel mehr als vorher über den Hintergrund der Sendung und den O-Ton informieren, bevor ich wieder bereit bin ein Interview zu geben, das nicht live gefilmt wird. Artikel in der Presse sollten auch in deren Sinne vor der Veröffentlichung durch uns Pilzkenner gegengelesen werden – seriöse und an passendem Inhalt interessierte Medienschaffende bringen dafür Verständnis und Dankbarkeit auf und schätzen diesen Mehraufwand, den beide Seiten damit im „Namen der fachlich stimmigen Information“ auf sich nehmen.

Hier ist der Beitrag live im Morgenmagazin zu sehen.

Rita & Frank
Rita & Frank

Hallo, mein Name ist Rita,

seit meiner Kindheit bin ich gerne in der Natur unterwegs und mache dort unzählige kleine und große Entdeckungen. Die Faszination dieser unerschöpflichen Quelle von bunten Formen, spannenden Beobachtungen und leckeren Pflanzen und Pilzen treibt mich auch heute noch an. Das Biologie-Studium und meine anschließende Promotion mit Schwerpunkt Botanik hat mir einiges an Fachwissen gebracht, doch mich auch nahezu das Staunen und die Ehrfurcht und Demut vor der Schöpfung vergessen lassen – all dies und noch viel mehr habe ich wieder gefunden. Bei verschiedenen Bildungseinrichtungen biete ich Seminare zu Pflanzen und Pilzen an – inzwischen meist zusammen mit meinem Mann Frank. Außerdem male und fotografiere ich gerne was mich selber begeistert und baue dies in unsere Lehrmaterialien und Bücher ein, die ich zusammen mit Frank verfasse und gestalte.

Hallo, mein Name ist Frank,

Vögel haben mich bereits sehr jung fasziniert und seit meiner Jugend begeistere ich mich für Outdoor- und Survival-Aktivitäten, sei es mit dem Kanu in Kanada oder auf verschiedenen Wegen in Skandinavien. Als Zahntechniker ist dies auch ein guter Ausgleich zu meiner ansonsten eher „indoor“ stattfindenden Arbeit. Seit den nun fast 30 Jahren, die Rita und ich gemeinsam in der Natur unterwegs sind, habe ich einiges an Pflanzen- und Pilzkenntnissen hinzu gewonnen. Mein Part in unseren gemeinsamen Seminaren ist es, aufzupassen, dass es nicht zu „akademisch“ wird – und immer wieder allgemeine Fragen zu stellen und „die Bodenhaftung“ zu behalten. So ist aus unseren gemeinsamen Entdeckungen zum Beispiel die Ausbildung zum PilzCoach entstanden.

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