Schneckenspurt und Hexentanz im Wald: PilzCoach-Ausbildertreffen im Kloster Roggenburg – 5. bis 7. April

Dieses Wochenende treffen „wir PilzCoach-Ausbilder“ uns wieder einmal zum Erfahrungsaustausch im Walderlebniszentrum Roggenburg. Am Freitag heißt es erst einmal ankommen und das warme Wetter und unser Wiedersehen genießen! 

Abends berichten uns Katharina und Wolfgang über ihre Erfahrungen mit der Herstellung von Farb-Pigmenten und zeigen uns ihre beeindruckenden Muster und kreativen Studien. Wolfgang stellt ein in verschiedenen Herstellungsverfahren aus den Pigmenten des Kiefern-Braunporlings gemaltes Bild von – sozusagen „aus sich selbst gemalt“. Ich (Rita) berichte über unsere Erfahrungen mit verkohltem Zunderschwamm  – eine Weiterentwicklung der von Katharina bei der letzten Ausbildung vorgestellten Methode, die super funktioniert. Frank hat dafür grobe Stücke vom Fruchtkörper verkohlt, ohne vorher die Kruste und die Röhren zu entfernen.

Am Samstag verköstigten wir beim „Markt der Möglichkeiten“ den Stachelbart-Kakao von Andreas Lackmann und stellen wir uns gegenseitig unsere kreativen Ideen vor. Vincent hat in seinem nach der Vorlage von Tobias gebauten Koffer eine Schiebeburg von Stefan Lüpges, berichtet wie gut die Tattoos bei Veranstaltungen ankommen und zeigt uns viele weitere Möglichkeiten die Teilnehmer zu begeistern. Wir sind auch begeistert von seinem Makro-Fernglas Pentax Papilio II, das eine Vergrößerte Sicht auch im Nahbereich bis zu ca. 50 cm ermöglicht.

Moni hat aus ihrer reichhaltigen kreativen Palette ihre „Erklär-Shirts“ mitgebracht. Diese zeigen beispielsweise die Entwicklung eines Fliegenpilzes. Sie gestaltet diese bei ihren Veranstaltungen mit den Teilnehmern nach ausgeschnittenen Vorlagen. Nachdem die Umrisse mit Plusterfarben aufgetragen sind werden sie vervollständigt, getrocknet und zwischen Stoff von der Rückseite gebügelt. Tobias hat am Morgen schon einige Funde auf dem Gelände gemacht: eine Speise-Morchel, Leuchtende Prachtbecherlinge, Scheibenlorcheln, Lappige Morchelbecherlinge und Braune Brandstellen-Becherlinge. Steffen hat zwei Geldbörsen der Firma Zvnder mitgebracht, einige der Flächen sind sehr ansprechend mit Holz gearbeitet. Die Buchenholz-Bürsten von Ralf erfüllen durch ihre dynamische Form und unterschiedlich langen Wildschweinborsten viele Ansprüche und liegen sehr gut in der Hand.

Brigitte stellt uns ihre erweiterte Variante des Schnitzens mit Avocado-Kernen vor, bei dem eine Giraffenholzscheibe mit einem Magnet versehen und Pilzen aus Avocado-Kern aufgeklebt werden. Wolfgangs „Notfall-Koffer“ diente vor mehr als 10 Jahren als Prototyp des „PilzCoach-Koffers“ – jetzt haben die neuen Ausbilder die Gelegenheit seinen inzwischen legendären Koffer live in Augenschein zu nehmen! Inzwischen ist er auch um einige Zutaten bereichert, wie beispielsweise das Kobucha-Leder, Weißfäulebällchen, die Sets von FungiColor und Vorführmaterial zu Dämmmaterial aus Pilzen von Dr. Anett Werner der Uni Dresden. Katrin zeigt uns neben den beeindruckenden Färbeergebnissen und zahlreichen Kreativideen ihre Karten mit super schönen Fotos zur Gliederung von Pilzfunden – ähnlich denen von Barbara und Volker, nach denen schon zahlreiche Ausstellungen sortiert wurden. Außerdem gibt es ein Pilzbingo, Memory mit Gift- und Speisepilzen sowie ihr Buch zu den FAQ.

Wer kennt ihn schon, den Geruch nach dem die Eichen-Milchlinge duften? Sprich, die Weidenbohrer-Raupe. Wir hatten Gelegenheit diesen zu erschnüffeln, da Albin eine solche gefunden und uns gezeigt hat – zweifellos der meist fotografierte Star des Tages!

Der Nachmittag wird dem traumhaften Wetter gebührend im Wald verbracht. Nach einer kleinen Einführung von Albin, wie sich die Waldpädagogik von der „klassischen Führung“ zum Erleben mit allen Sinnen verwandelt hat kommen wir in den Genuss dies an verschiedenen Stationen selber zu erleben. Hierbei steht nicht mehr der Wald im Vordergrund, sondern der Teilnehmer. Unser roter Faden ist das Thema „Ökosystem Wald“ sowie die „Wald-Mensch-Beziehung“. Als erstes finden wir jeder unsere eigenen „Waldschatz“, dies kann ein Zapfen sein, eine tolle Rindenstruktur oder ein unter UV-fluoreszierender Schwefelkopf der uns dazu bringt über Biolumineszenz und Fluoreszenz bei Pilzen zu fachsimpeln. 

Dann starten wir zur Basis jeden Ökosystems, dem Boden, denn Alles beginnt und endet im Boden. Einige von uns erleben ihn barfuß und alle gemeinsam schlagen wir einen Bohrkern in den Boden um die Schichtung zu erkunden. Nach der recht umfangreichen Humusauflage folgt eine Schichtung sich verschieden anfühlender Bodenpartikel, die sich von uns unterschiedlich rollen und ausstreichen lassen. Die ständig wasserführenden Schichten sind stärker blau gefärbt als die mit Sauerstoff ockerfarben oxidierten – das fühlt sich spannend an und sieht auch spannend aus, vor allem weil die Bodenlebewesen sie mit ihrem Wirken und Wurzeln noch einmal prägen. Hier mischen sich die anorganischen (Gestein, Luft, Wasser) mit den organischen (lebende Biozönose aus Pilzen, Tieren, Pflanzen und Humus) Bestandteilen. Die Dauerwaldbewirtschaftung wird als mögliche nachhaltige Wirtschaftsform diskutiert.

Mit jedem Themenwechsel ist ein Ortwechsel verbunden – so geht es weiter zur nächsten Station, den Tieren unser erstes Element der lebenden Bestandteile, das wir näher betrachten. Hier hat Albin die Schädel von Reh, Biber, Fuchs und Wildschwein für uns parat und wir können fühlen, wie unterschiedlich sich die Zähne von Pflanzenfressern, Räubern und Allesfressern anfühlen. Wir sprechen über die Notwendigkeit der Jagt und wie der Abschussplan über die Gutachten zur Waldverjüngung orientiert sind. Zur Veranschaulichung dürfen wir uns mit einem Gummiband als „Jäger“ versuchen und Esther gelingt es das nichtsahnende Reh zu erlegen, damit den Jungwuchs zu fördern und eine Salamischeibe zu erbeuten.

An einer Eichen-Baumscheibe schauen wir uns das innere Kernholz (der dunkle abgestorbene Bereich mit verschlossenen Poren) das darauf folgende Splintholz (mit den wasserführenden Leitungsbahnen und offenen Poren), sowie den dünnen Bast (leitet die Zuckerstoffe von den Blättern in die Wurzeln) und die Borke an. Schließlich lässt Albin Ralf durch die mit Spüli benetzte Scheibe pusten und wir können erleben, wie durchlässig die Splintholzzone ist. Dies geht mit ringporigen Laubhölzern wie Eiche, Esche und Ulme besonders gut. Um das Zusammenspiel von Wasseraufnahme in den Wurzeln und der Leitung nach oben bis zum Zuckertransport wieder nach unten nachzuspielen lädt uns Albin zu einer Pantomime ein, bei der wir vom Schlürfen bis zum Schlecken all dies nachspielen. Und solch ein gesunder Baum weiß sich auch gut gegen den Angriff von einem Borkenkäfer zu wehren. 

Pflanzen sind die einzigen Lebewesen, die aus anorganischer Materie organische (Zucker, die Lebensgrundlage für uns alle) herstellen können. Der Wald ist die Klimax-Gesellschaft und beim Ringen nach Licht haben die Bäume mit ihrem Holz diesen Kampf gewonnen. Brigitte, unser Geburtstagskind, durfte sich an der CO2-Maschine ausprobieren. Sie hat den Luftballon erfolgreich zum Platzen gebracht und mit Hilfe des Sonnenlichtes aus ihrer Atemluft (Lieferant von Wasser und Kohlendioxid) eine Holzscheibe produziert. Am Abschluss dieses für alle Sinne bereichernden Nachmittags geben wir alles beim Singen des Kanons der Pilze, zum Nachsingen ist er in der Handreichung von Albin zu finden. Am Abend haben wir dann unsere am Vormittag begonnene Sitzung weitergeführt – aufgelockert mit einem Gedicht für Brigitte von Dana zum Geburtstag. 

Am Sonntag ging es gleich nach dem Frühstück bei strahlendem Wetter in den Wald. Zum Aufwärmen sind wir in Tuchfühlung gegangen mit Albins „Rennfuchs“ und „Flugadler“. Danach hat uns Albin an einem brennenden Papier das Wachstum von Hexenringen gezeigt und aus Holzscheiben einen Hexenring für uns auf dem Waldboden angelegt. Mit diesem hat er uns dann als Schwammerlhexe (zu finden in der Handreichung) verzaubert – selten so gelacht. 

Am malerischen Standort an der Forsthütte haben wir als Schnecken oder wachsende Pilze beim Spiel „Schneckenspurt bedroht Pilzgeburt“ alles gegeben, um unsere Sporen dem Wind zu übergeben, oder aus der Sicht der Schnecke an den Leckerbissen zu gelangen. 

Schließlich ging es um die größeren Zusammenhänge, die verschiedenen Kräfte die auf den Wald einwirken, sprich ökonomische, ökologische und soziale Interessen. So haben wir als diese drei Instanzen bei einem gegenseitigen kräftezehrenden, anstrengenden und schmerzhaften Tauziehen um den Wald gerungen (den Klotz in der Mitte). In der zweiten Runde ging es darum die gleichen Ziele mit Kommunikation und Kompromissbereitschaft anzugehen – was zeigt wie viel leichter und weniger schmerzhaft es ist, seine Ziele gemeinsam zu erreichen. 

In diesem Sinne ging es an der nächsten Station darum gemeinsam eine Brücke zu bauen. Dazu haben wir Stämme mit verschiedenen Kerben bekommen – dann hieß es knobeln, wie wir diese dann als Brücke zusammensetzen können. Sinnbildlich für den Wald zeigen die Stämme in eine Brücke verwandelt, dass ein Wald mehr ist als nur die Summe seiner Teile. Sie stehen auch für nachhaltiges Bauen (beim Holz wird der Rest und irgendwann die ganze Brücke wieder zu Humus), dass gemeinsam Hindernisse überwunden werden können und dass in Teamwork vieles möglich ist und jedes Element wichtig. Albin erzählt uns, dass Leonardo da Vinci diese Methode des Brückenbaus bereits vor 500 Jahren entwickelt hat – damals für militärische Zwecke. Nachdem sie dann in Vergessenheit geraten ist hat sie heute Einzug in die Waldpädagogik gefunden – was für eine schöne Symbolik!

Was für ein fröhlich verhexter Vormittag. Krönender Abschluss der Knall aus der legendären Bovistole, eine Zunderschwamm-Erinnerung zum Mitnehmen und die Handreichung von ihm zum Nachmachen. Wir sind uns einig, dass es wundervoll ist, wenn unsere Kinder in Zukunft so hautnah, spielerisch und authentisch Wissen vermittelt bekommen. Unsere Feedback-Runde hat deutlich gezeigt, dass für jeden etwas bereicherndes dabei gewesen ist und wir alle Inspiration und Motivation schöpfen konnten. Den Waldpädagogik-Ordner (bzw. momentan abgespeckt den Stick mit Erläuterungsheft), wo diese und weitere Anregungen zu finden sind, gibt es bei Monika.moedl@stmelf.bayern.de.

Fazit: Dankeschön an dich, lieber Albin! Du hast und mit deiner Begeisterung und Magie verzaubert und unser Treffen mit sehr vielen Impulsen bereichert. Danke an das stets nette und hilfsbereite Team des Walderlebniszentrums Roggenburg und das leckere Essen. Und nicht zuletzt: Danke an jeden einzelnen von euch, der dabei gewesen ist – der mit dazu beiträgt, dass wir trotz etwaiger Differenzen im Detail unserer gemeinsamen Vision folgen: unsere Begeisterung für die Natur weiter zu tragen um eine gemeinsame nachhaltige Zukunft zu gestalten. 

Rita & Frank
Rita & Frank

Hallo, mein Name ist Rita,

seit meiner Kindheit bin ich gerne in der Natur unterwegs und mache dort unzählige kleine und große Entdeckungen. Die Faszination dieser unerschöpflichen Quelle von bunten Formen, spannenden Beobachtungen und leckeren Pflanzen und Pilzen treibt mich auch heute noch an. Das Biologie-Studium und meine anschließende Promotion mit Schwerpunkt Botanik hat mir einiges an Fachwissen gebracht, doch mich auch nahezu das Staunen und die Ehrfurcht und Demut vor der Schöpfung vergessen lassen – all dies und noch viel mehr habe ich wieder gefunden. Bei verschiedenen Bildungseinrichtungen biete ich Seminare zu Pflanzen und Pilzen an – inzwischen meist zusammen mit meinem Mann Frank. Außerdem male und fotografiere ich gerne was mich selber begeistert und baue dies in unsere Lehrmaterialien und Bücher ein, die ich zusammen mit Frank verfasse und gestalte.

Hallo, mein Name ist Frank,

Vögel haben mich bereits sehr jung fasziniert und seit meiner Jugend begeistere ich mich für Outdoor- und Survival-Aktivitäten, sei es mit dem Kanu in Kanada oder auf verschiedenen Wegen in Skandinavien. Als Zahntechniker ist dies auch ein guter Ausgleich zu meiner ansonsten eher „indoor“ stattfindenden Arbeit. Seit den nun fast 30 Jahren, die Rita und ich gemeinsam in der Natur unterwegs sind, habe ich einiges an Pflanzen- und Pilzkenntnissen hinzu gewonnen. Mein Part in unseren gemeinsamen Seminaren ist es, aufzupassen, dass es nicht zu „akademisch“ wird – und immer wieder allgemeine Fragen zu stellen und „die Bodenhaftung“ zu behalten. So ist aus unseren gemeinsamen Entdeckungen zum Beispiel die Ausbildung zum PilzCoach entstanden.

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