Von Eselsdistel, Ochsenauge und Bocksbart – Korbblütlerbestimmung in der Schweiz – 24.-25. Juni 2023

Die letzten beiden Tage waren wir zu Gast in der Stiftung Staudengärtnerei Höfli in Nussbaumen und haben uns mit der Bestimmung von Korbblütlern beschäftigt. Da dort Hunderte von Wildstauden angebaut werden, hatten wir reichlich Auswahl.

Dabei war es schon einmal gar nicht so einfach zu entscheiden, ob es sich überhaupt um einen Korbblütler handelt oder nicht. Blüten in einem gemeinsamen Blütenstand gibt es auch in anderen Familien, wie beispielsweise den Geißblattgewächsen (ehemals Kardengewächse). An der gegenständigen Blattstellung und den freien Staubbeuteln der Kardengewächse sind beide Familien gut zu unterscheiden.

Tauben-Skabiose (links) und Skabiosen-Flockenblume (rechts)

An der Schafgarbe (Achillea millefolium) und Sonnenblume (Helianthuus annuus) haben wir uns die verschiedenen Blühstadien der zwittrigen Einzelblüten in der Mitte der Blütenköpfe angeschaut. In der 5-zähligen Röhrenblüte befinden sich die 5 zu einer Röhre verwachsenen Staubbeutel. Sie öffnen sich vor dem Aufblühen nach innen und geben den Blütenstaub in das Innere der Röhre ab. In der Mitte jeder Blüte befindet sich der Griffel. Indem er heranwächst, schiebt er den Pollen aus der Röhre heraus. Hierfür besitzt der Griffel an seiner Außenseite Fegehaare (wie bei einer Flaschenbürste), die sich durch die Staubblattröhre emporschiebt und dabei die Pollenkörner aus der Röhre „bürstet“. Die 2-teilige Narbe überragt die Staubbeutelröhre und wird erst empfängnisfähig, nachdem der Pollen abgegeben ist.

Der Grundaufbau der Einzelblüten ist in der Familie recht einheitlich. Egal ob Röhren- oder Zungenblüten, sie sind stets aus 5 verwachsenen Kronblättern aufgebaut, was an den 5 Zipfeln der radiären Krone zu erkennen ist. Die Zungenblüten sind aus ebenfalls aus 5 verwachsenen Kronblättern aufgebaut, die eine verlängerte „Zunge“ bilden. Je nachdem, ob in einem Blütenkopf Röhren- und Zungenblüten vorhanden sind oder nur einer dieser beiden Blütentypen, werden Korbblütler in 3 Gruppen eingeteilt. Korbblütler mit ausschließlich Zungenblüten besitzen Milchsaft und ihre Zungenblüten haben stets 5 Zipfel. Bei den Korbblütlern mit Röhren- und Zungenblüten sind am Ende der Zungenblüten nur 3 Zipfel zu erkennen.

Diese Korbblütler haben wir bestimmt bzw. mit Lupe und Stereomikroskop betrachtet und den Gruppen zugeordnet:

Ausschließlich Röhrenblüten:

Eselsdistel (Onopordium acanthium)

Mariendistel (Silybum marianum)

Nickende Distel (Carduus nutans)

Edelweiß (Leontopodium alpinum)

Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea)

Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa)

Wasserdost (Eupatorium cannabinum)

Strahlenlose Kamille (Matricaria discoidea)

Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense)

Röhren- und Zungenblüten:

Einjähriges Berufkraut (Erigerio annuus)

Schafgarbe (Achillea millefolium)

Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium)

Weidenblättriger Alant (Inula salicifolia)

Römische Kamille (Chamaemelum nobile)

Echte Kamille (Matricaria chamomilla)

Sonnenblume (Helianthuus annuus)

Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria)

Jakobs-Greiskraut (Senecio jacobaea)

Margerita (Leucanthemum vulgare)

Ausschließlich Zungenblüten:

Rainkohl (Lapsana communis)

Wegwarte (Cichoryum intybus)

Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratense)

Ferkelkraut (Hypochaeris radicata)

Grüner Pippau (Crepis capillaris)

Gew. Habichtskraut (Hieracium lachenallii)

Am Sonntag haben wir die riesigen Marien- und Eselsdistel bestaunt. Mariendisteln sind auch ein wirksames Leberschutzmittel beispielsweise bei Vergiftungen mit Grünen Knollenblätterpilzen. An dem regen Insektenbesuch konnten wir uns davon überzeugen, wie wertvoll Korbblütler mit ihrem Pollen- und Nektarangebot für die Bestäuber sind.

Bienenbesuch auf der Eselsdistel

Bei den gelben Korbblütlern ist es schon eine Herausforderung zu entscheiden, ob verschiedene Exemplare zu einer Art gehören oder zu verschiedenen. Vor allem, wenn sie so wie bei uns der Pippau ganz unterschiedlich kräftig gewachsen sind. Einige Arten, wie der Rainfarn (Tanacetum vulgare) sind auch am Geruch zu erkennen, da dieser noch nicht blühte, war er ansonsten für die Bestimmung mit dem Bestimmungsschlüssel ungeeignet.

Gegenüberstellung aus dem Buch „Grundlagen der Feldbotanik“
der Gattungen Greiskraut (links), Pippau (Mitte) und Habichtskraut (rechts)

Die Stereomikroskope, mit denen wir gearbeitet haben, sind von der Firma Winlab und hier geht es zu unserem Projekt „Entdecker des Mikrokosmos“. Die T-Shirts mit meinen Zeichnungen, wie wir sie getragen haben, findet ihr hier und eine Anleitung dazu in diesem Video, Dann könnt ihr die Motive auf eure Bedürfnisse anpassen.

Auch die Landschaft mit dem Fernblick, die Atmosphäre auf dem Gelände und das Essen ist ein Genuss für alle Sinne: frische regionale Zutaten köstlich zubereitet und liebevoll garniert und serviert. Einfach paradiesisch – und gar nicht auszudenken, wenn wir Menschen in Zukunft noch viel mehr solcher Keimzellen für gesundes und nachhaltiges Miteinander entwickeln. Vielen Dank euch allen, die ihr dabei gewesen seid – und ganz besonders herzlicher Dank an Veronika Kraus für die super Organisation!

Rita & Frank
Rita & Frank

Hallo, mein Name ist Rita,

seit meiner Kindheit bin ich gerne in der Natur unterwegs und mache dort unzählige kleine und große Entdeckungen. Die Faszination dieser unerschöpflichen Quelle von bunten Formen, spannenden Beobachtungen und leckeren Pflanzen und Pilzen treibt mich auch heute noch an. Das Biologie-Studium und meine anschließende Promotion mit Schwerpunkt Botanik hat mir einiges an Fachwissen gebracht, doch mich auch nahezu das Staunen und die Ehrfurcht und Demut vor der Schöpfung vergessen lassen – all dies und noch viel mehr habe ich wieder gefunden. Bei verschiedenen Bildungseinrichtungen biete ich Seminare zu Pflanzen und Pilzen an – inzwischen meist zusammen mit meinem Mann Frank. Außerdem male und fotografiere ich gerne was mich selber begeistert und baue dies in unsere Lehrmaterialien und Bücher ein, die ich zusammen mit Frank verfasse und gestalte.

Hallo, mein Name ist Frank,

Vögel haben mich bereits sehr jung fasziniert und seit meiner Jugend begeistere ich mich für Outdoor- und Survival-Aktivitäten, sei es mit dem Kanu in Kanada oder auf verschiedenen Wegen in Skandinavien. Als Zahntechniker ist dies auch ein guter Ausgleich zu meiner ansonsten eher „indoor“ stattfindenden Arbeit. Seit den nun fast 30 Jahren, die Rita und ich gemeinsam in der Natur unterwegs sind, habe ich einiges an Pflanzen- und Pilzkenntnissen hinzu gewonnen. Mein Part in unseren gemeinsamen Seminaren ist es, aufzupassen, dass es nicht zu „akademisch“ wird – und immer wieder allgemeine Fragen zu stellen und „die Bodenhaftung“ zu behalten. So ist aus unseren gemeinsamen Entdeckungen zum Beispiel die Ausbildung zum PilzCoach entstanden.

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